Die Bedeutung des Abendmahls / der Heiligen Kommunion
Die Feier des Abendmahls ist eine zutiefst bewegende geistliche Erfahrung, die Herz und Seele berührt. Ihre Ursprünge reichen zurück zu einem besonderen Moment in der Geschichte: Am Vorabend seines Leidens und Todes setzte Jesus während der traditionellen Feier des jüdischen Passahfestes ein neues, bedeutsames Gemeinschaftsmahl ein. Dieses Mahl, das wir heute als Abendmahl oder Heilige Kommunion begehen, ist ein zentraler Bestandteil des christlichen Gottesdienstes.
Im Abendmahl erinnern wir uns an das Opfer Jesu Christi – an seinen Tod am Kreuz und seine siegreiche Auferstehung. Es ist ein Zeichen der Gemeinschaft mit dem auferstandenen Herrn und untereinander als Glaubende. Gleichzeitig richtet es unseren Blick auf die verheißene Wiederkunft Christi in Herrlichkeit. So verbindet das Mahl Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem heiligen Moment der Besinnung und Hoffnung.
Das Passahfest – Ursprung und Bedeutung
Das Passahfest ist das bedeutendste Fest im jüdischen Kalender. Es erinnert an die Befreiung der Israeliten aus der Knechtschaft in Ägypten, wie sie im Buch Exodus (2. Mose 12) beschrieben wird. In der Nacht der letzten Plage starben alle erstgeborenen Ägypter, während die Israeliten verschont blieben – ein Schutz, der durch das Blut eines geopferten Lammes an ihren Türpfosten gewährt wurde. Nach göttlicher Weisung wurde das Lamm gebraten und zusammen mit ungesäuertem Brot gegessen. Dieses Mahl wurde zum Zeichen der Rettung und sollte fortan von Generation zu Generation gefeiert werden – als ewiges Gedächtnis an Gottes Eingreifen und Treue.
Das Abendmahl steht somit in tiefer Verbindung zum Passahfest: Wie das Blut des Lammes einst vor dem Tod bewahrte, so ist Christus das „Lamm Gottes“, das die Sünde der Welt trägt. In der Feier des Abendmahls begegnen wir diesem Geheimnis der Erlösung – in Brot und Wein, im Gedenken und in der Hoffnung.
Die Einsetzung des Abendmahls – ein heiliger Moment der Hingabe
Während des feierlichen Passahmahls – einer zentralen Handlung im Rahmen des jüdischen Passahfestes – nahm Jesus einen Laib Brot, sprach das Dankgebet und brach ihn. Er reichte das Brot Seinen Jüngern mit den Worten: „Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Ebenso nahm Er nach dem Mahl den Kelch und sagte: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.“ (Lukas 22,19–20)
Mit diesen Worten stiftete Jesus das Abendmahl – ein Zeichen Seiner Liebe, Seines Opfers und der neuen Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch. Es war der Beginn eines neuen Bundes, gegründet auf Gnade und Erlösung. Nach dem Mahl beendeten sie die Feier mit dem Gesang eines Lobliedes (Matthäus 26,30) – ein bewegender Abschluss, der die Tiefe des Moments unterstrich. Anschließend verließen sie den Ort und gingen hinaus in die Nacht, hinauf zum Ölberg. Dort erfüllte sich, was Jesus zuvor angekündigt hatte: Judas verriet Ihn mit einem Kuss. Noch in derselben Nacht wurde Jesus gefangen genommen, und am folgenden Tag – dem Karfreitag – ans Kreuz genagelt. Sein Tod wurde zum Wendepunkt der Menschheitsgeschichte.
Die biblischen Zeugnisse über das Abendmahl – und der Ruf zur Selbstprüfung
Die Einsetzung des Abendmahls ist in allen vier Evangelien überliefert:
- Matthäus 26,26–29
- Markus 14,17–25
- Lukas 22,7–22
- Johannes 13,2–30
Darüber hinaus finden wir eine besonders eindringliche Auslegung bei Paulus im ersten Korintherbrief (1. Korinther 11,23–29). Dort überliefert er nicht nur die Worte Jesu, sondern fügt eine ernste Mahnung hinzu, die in den Evangelien so nicht erscheint:
„Wer also unwürdig das Brot isst oder den Kelch des Herrn trinkt, wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn. Der Mensch aber prüfe sich selbst, und so esse er von dem Brot und trinke aus dem Kelch. Denn wer isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst zum Gericht, wenn er den Leib nicht richtig beurteilt.“ (1. Korinther 11,27–29)
Diese Worte fordern uns auf, innezuhalten und uns selbst zu prüfen, bevor wir am Tisch des Herrn Platz nehmen. Was bedeutet es, Brot und Kelch „unwürdig“ zu empfangen?
- Es kann bedeuten, dass wir die tiefere Bedeutung des Mahls verkennen – dass wir vergessen, welchen hohen Preis Jesus für unsere Erlösung bezahlt hat.
- Es kann heißen, dass wir das heilige Mahl zu einer bloßen Gewohnheit oder formellen Zeremonie verkommen lassen, ohne innere Beteiligung oder Ehrfurcht.
- Oder dass wir mit ungeklärter Schuld, mit nicht bekannten Sünden oder einem unversöhnten Herzen zum Tisch des Herrn kommen.
Paulus ruft uns zur Selbstprüfung auf – nicht zur Selbstverurteilung, sondern zur ehrlichen Reflexion. Das Abendmahl ist kein Mahl der Vollkommenen, sondern der Erlösten. Doch es verlangt ein aufrichtiges Herz, das sich der Heiligkeit dieses Moments bewusst ist.
Ein Denkmal aus Brot und Wein – die bleibende Verkündigung des Kreuzes
Der Apostel Paulus ergänzt die Überlieferung des Abendmahls um eine bemerkenswerte Aussage, die in den Evangelien nicht enthalten ist: „Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis Er kommt.“ (1. Korinther 11,26)
Mit diesen Worten macht Paulus deutlich, dass jede Feier des Abendmahls nicht nur Erinnerung, sondern auch Verkündigung ist – ein lebendiges Zeugnis des Kreuzes. Zugleich setzt er einen zeitlichen Rahmen: Das Mahl wird gefeiert bis zur Wiederkunft Christi. Es ist also eine heilige Handlung, die die Zeit zwischen Kreuz und Krone überbrückt – zwischen dem vollbrachten Erlösungswerk und der kommenden Herrlichkeit. Was dabei besonders berührt: Jesus wählte keine kostbaren Materialien, keine prunkvollen Monumente, um Seines Todes zu gedenken. Kein Denkmal aus Marmor, kein Standbild aus Bronze. Stattdessen nahm Er zwei einfache, alltägliche Elemente – Brot und Wein – und machte sie zu Zeichen Seines Leibes und Blutes. Diese Schlichtheit ist tiefsinnig: Sie macht das Heil greifbar, zugänglich, nahbar. In jedem Stück Brot und jedem Schluck aus dem Kelch begegnen wir dem Geheimnis der Erlösung. Es ist ein Denkmal, das nicht in Stein gehauen, sondern in Herzen geschrieben ist.
Das Abendmahl – Erinnerung, Erfüllung und Verheißung
Jesus erklärte, dass das Brot beim Abendmahl für Seinen Leib steht – jenen Leib, der bald für die Menschheit hingegeben werden sollte. Zwar wurde Ihm kein einziger Knochen gebrochen, doch Sein Körper wurde so schwer misshandelt, dass Er kaum wiederzuerkennen war. Die alttestamentlichen Prophezeiungen sprechen eindrücklich davon:
- „Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, alle meine Gebeine haben sich zertrennt…“ (Psalm 22,12–18)
- „Er hatte keine Gestalt und keine Pracht… wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird…“ (Jesaja 53,2b–7)
Der Wein symbolisiert Sein Blut – das Blut des neuen Bundes, das bald vergossen werden sollte. Es weist auf den schrecklichen Tod hin, den der vollkommene Sohn Gottes freiwillig auf sich nahm. In Ihm erfüllten sich die zahlreichen Verheißungen des Alten Testaments über den kommenden Erlöser:
- 1.Mose 3,15 – der verheißene Nachkomme, der der Schlange den Kopf zertreten wird
- Psalm 22 – das leidende Herz des Messias
- Jesaja 53 – der leidende Gottesknecht, der unsere Schuld trägt
Mit den Worten „Dies tut zu meinem Gedächtnis“ machte Jesus deutlich, dass dieses Mahl nicht nur ein einmaliges Ereignis war, sondern eine bleibende Feier – eine heilige Handlung, die von Generation zu Generation weitergegeben werden sollte. Zugleich offenbarte Er, dass sich im Abendmahl die tiefere Bedeutung des Passahfestes erfüllt: Das Passah verlangte den Tod eines Lammes und wartete auf das Kommen des wahren „Lammes Gottes“, das die Sünde der Welt hinwegnehmen würde. In Christus, dem geopferten Passahlamm (1. Korinther 5,7), wurde diese Erwartung Wirklichkeit. Mit dem Opfer Jesu trat der Neue Bund in Kraft (Hebräer 8,8–13), und das alttestamentliche Opfersystem wurde endgültig abgelöst (Hebräer 9,24–28). Das Abendmahl ist daher nicht nur eine Erinnerung an das, was Christus für uns getan hat – es ist auch eine Feier dessen, was wir durch Sein Opfer empfangen haben: Vergebung, Versöhnung, neues Leben und die Hoffnung auf ewige Gemeinschaft mit Gott.
Dürfen und sollen Kinder das Abendmahl empfangen?
Die Frage, ob Kinder am Abendmahl teilnehmen dürfen und sollen, wird in verschiedenen christlichen Traditionen unterschiedlich beantwortet. In vielen evangelischen Landeskirchen hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Wandel vollzogen: Immer mehr Gemeinden laden auch Kinder – insbesondere getaufte Kinder – zum Tisch des Herrn ein.
Biblische und theologische Grundlage
- In der frühen Kirche war es selbstverständlich: Wer getauft war, gehörte zur Gemeinde – ob jung oder alt – und war eingeladen, das Abendmahl mitzufeiern.
- Der Kirchenvater Augustinus schrieb: „Es sind Kinder, aber sie empfangen seine Sakramente. Es sind Kinder, aber sie werden zu seinen Tischgenossen, damit sie das Leben haben.“
- Das Abendmahl ist ein Geschenk Gottes – Ausdruck von Gnade, Gemeinschaft und Vergebung. Es ist nicht unsere Aufgabe, dieses Geschenk zu rationieren oder an Bedingungen zu knüpfen.
Pädagogische Überlegungen
- Kinder öffnen sich oft mit großer Natürlichkeit für das Geheimnis des Glaubens. Sie nehmen das Geschenk Christi mit offenen Händen entgegen – oft unmittelbarer und unbefangener als Erwachsene.
- Die Teilnahme am Abendmahl kann für Kinder ein tiefes Erlebnis von Zugehörigkeit und Annahme sein. Sie erfahren sich als vollwertige Mitglieder der Gemeinde.
Kirchliche Praxis
- In der Evangelischen Landeskirche Württemberg etwa wurde bereits im Jahr 2000 beschlossen, dass auch nicht konfirmierte Kinder und Jugendliche zum Abendmahl eingeladen sind – vorausgesetzt, sie werden ihrem Alter entsprechend vorbereitet.
- Viele Gemeinden praktizieren dies bereits erfolgreich und berichten von positiven Erfahrungen. Kinder, die früh mit dem Abendmahl vertraut gemacht werden, entwickeln ein tiefes Verständnis für seine Bedeutung.
- Kinder, die getauft sind und in ihrem Glauben begleitet werden, dürfen und sollen am Abendmahl teilnehmen – nicht als Zuschauer, sondern als Teil der Gemeinschaft. Die Einladung Jesu gilt allen, die zu Ihm gehören. Eine kindgerechte Vorbereitung, etwa im Rahmen von Familiengottesdiensten oder Kinderbibeltagen, kann helfen, die Bedeutung des Mahls verständlich zu machen und würdig zu feiern.
Lasst uns still werden vor dem Geheimnis, das wir gefeiert haben.
In Brot und Kelch haben wir Christus selbst empfangen – Sein Leib, für uns gegeben; Sein Blut, für uns vergossen.
Wir haben uns erinnert an Sein Leiden, Seinen Tod und Seine Auferstehung.
Wir haben Gemeinschaft erlebt – mit Ihm und miteinander.
Und wir haben neu Hoffnung geschöpft: Denn sooft wir dieses Mahl feiern, verkündigen wir den Tod des Herrn, bis Er kommt.
So gehen wir gestärkt in die Welt – mit dem Frieden Christi in unseren Herzen, mit der Liebe Gottes in unseren Händen und mit der Kraft des Heiligen Geistes auf unseren Wegen.
Der Herr segne euch und behüte euch.
Der Herr lasse Sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig.
Der Herr erhebe Sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden.
Amen.