1.Johannes 1,6: “Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, lügen wir und tun nicht die Wahrheit.”
Dieser Vers aus dem ersten Johannesbrief ist eine eindringliche Mahnung – nicht nur an die damaligen Gläubigen, sondern auch an uns heute. Er konfrontiert uns mit einer unbequemen Wahrheit: Es reicht nicht aus, sich zu Gott zu bekennen, wenn unser Lebenswandel diesem Bekenntnis widerspricht. Worte allein sind kein Beweis für geistliche Wahrheit. Ein Lippenbekenntnis ohne gelebte Konsequenz ist wie ein Baum ohne Frucht – äußerlich vielleicht beeindruckend, aber innerlich leer. Die Heilige Schrift fordert uns nicht nur zur Erkenntnis, sondern zur Umkehr, zur Nachfolge, zur sichtbaren Veränderung. Gott sucht keine perfekten Menschen, sondern ehrliche Herzen. Doch Ehrlichkeit zeigt sich nicht nur im Gebet, sondern im Alltag – in unseren Entscheidungen, in unserem Umgang mit anderen, in unserer Bereitschaft, Licht in dunkle Bereiche unseres Lebens zu lassen. Wer behauptet, mit Gott Gemeinschaft zu haben, aber bewusst in der Finsternis lebt, täuscht nicht nur andere, sondern vor allem sich selbst.
Die Finsternis kann viele Formen annehmen: Stolz, Unversöhnlichkeit, Gier, Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid anderer. Sie ist nicht immer offensichtlich – manchmal tarnt sie sich als Selbstschutz, als Gewohnheit oder als gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten. Doch das Licht Gottes duldet keine Schattenzonen. Es deckt auf, um zu heilen. Es richtet nicht, um zu verdammen, sondern um zu befreien. Ein Leben im Licht bedeutet nicht Fehlerlosigkeit, sondern Transparenz. Es bedeutet, sich der Wahrheit zu stellen – auch wenn sie unbequem ist – und sich von ihr verwandeln zu lassen. Es bedeutet, dass unser Glaube nicht nur in unseren Worten, sondern in unserem Charakter, unseren Taten und unserer Haltung sichtbar wird.
Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit Gott haben – dann muss das auch im Leben und in der Nachfolge Jesu sichtbar werden. Unser Glaube ist keine bloße Behauptung, sondern eine Einladung zur Transformation. Die Beziehung zu Gott ist nicht nur ein inneres Gefühl oder ein sonntägliches Ritual, sondern ein Lebensstil, der sich in unserem Denken, Handeln und in unserer Haltung gegenüber anderen widerspiegelt. Die Nachfolge Jesu ist kein theoretisches Konzept, sondern ein konkreter Weg. Es bedeutet, biblische und göttliche Werte zu übernehmen: Barmherzigkeit statt Urteil, Demut statt Stolz, Hingabe statt Selbstzentriertheit. Wer mit Gott lebt, lebt anders – nicht perfekt, aber erkennbar anders. Die Frucht dieser Gemeinschaft zeigt sich in der Liebe, die wir weitergeben, in der Wahrheit, die wir leben, und in der Hoffnung, die wir verkörpern.
Gott ruft uns nicht zur bloßen Zustimmung, sondern zur Nachahmung. Jesus sagt: „Folge mir nach“ – und das ist mehr als ein geistlicher Slogan. Es ist ein Ruf zur Bewegung, zur Veränderung, zur Bereitschaft, das eigene Leben unter das Licht des Evangeliums zu stellen. Gemeinschaft mit Gott ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess, in dem wir täglich neu lernen, was es heißt, Licht in der Finsternis zu sein. Wenn unser Leben keine Spuren der Nachfolge trägt, dann ist unser Bekenntnis hohl, sogar eine Lüge. Doch wenn wir uns ehrlich auf den Weg machen – mit all unseren Schwächen und Zweifeln – dann wird Gottes Licht in uns sichtbar. Nicht durch äußere Perfektion, sondern durch innere Echtheit. Die Welt braucht keine makellosen Christen, sondern glaubwürdige Zeugen. Christen sind Menschen, die in der Christusnachfolge, in der wiederhergestellten Gemeinschaft mit Gott leben.
Christsein ist Nachfolgen, nicht Nachsitzen. Diese Wahrheit trifft ins Herz der christlichen Berufung. Sie erinnert uns daran, dass der Glaube kein passives Verweilen ist, sondern ein aktives Gehen – ein Leben in Bewegung, in Veränderung, in Hingabe. Nachsitzen bedeutet, stehenzubleiben, zu verharren, vielleicht sogar zu warten, bis jemand anders uns antreibt. Doch Jesus ruft uns nicht in einen Klassenraum, sondern auf einen Weg. Er sagt nicht: „Setz dich und hör zu“, sondern: „Folge mir nach.“ Nachfolge ist kein Gedankenspiel, sondern ein Weg, den man geht – Schritt für Schritt, Herz vor Kopf, mit einem Kompass, der auf Christus zeigt. Sie prägt, wie wir denken, wie wir handeln und wohin unser Herz sich neigt. Nachfolge bedeutet nicht bloßes Wissen über Jesus, sondern ein tägliches Leben mit ihm – sichtbar in unseren Entscheidungen, unserem Verhalten und dem, was uns wirklich wichtig ist.
Wer Christus nachfolgt, bleibt nicht Zuschauer. Er wird Teil der Geschichte Gottes mit dieser Welt. Das bedeutet: aufstehen, aufbrechen, mitgehen – auch wenn der Weg unbequem ist. Es bedeutet, sich von alten Mustern zu lösen, sich dem Licht auszusetzen, Verantwortung zu übernehmen und sich von Gottes Geist leiten zu lassen. Nachfolgen heißt: sich bewegen, auch wenn man nicht alle Antworten hat. Es heißt: vertrauen, auch wenn der Weg durch dunkle Täler führt. Es heißt: lieben, auch wenn es Kraft kostet. Es heißt: dienen, auch wenn es uns selbst etwas kostet. Christsein ist kein Sitzenbleiben in der Komfortzone, sondern ein mutiger Schritt aus ihr heraus. Es ist ein Ruf zur Reife, zur Veränderung, zur Hingabe. Wer nachsitzt, bleibt zurück. Wer nachfolgt, wird verwandelt.
Wenn wir also behaupten, Gemeinschaft mit Gott zu haben und doch in der Finsternis wandeln, dann lügen wir, belügen das Umfeld und uns selbst. Dann stehen wir nicht in der Wahrheit Gottes. Unsere Worte und unser Lebensstil stehen im Widerspruch – und dieser Widerspruch ist nicht harmlos, sondern geistlich gefährlich. Denn er führt uns weg von der Echtheit, hinein in eine fromme Fassade, die zwar religiös klingt, aber geistlich leer ist.
Die Finsternis ist nicht nur ein Zustand äußerer Sünde, sondern auch ein innerer Rückzug vom Licht. Sie zeigt sich in Unehrlichkeit, in Stolz, in der Weigerung, sich korrigieren zu lassen. Wer in der Finsternis wandelt, lebt in einem geistlichen Nebel – getrennt von der Klarheit, die Gottes Wahrheit schenkt. Und je länger wir in diesem Zustand verharren, desto mehr stumpfen wir ab gegenüber dem Ruf zur Umkehr. Gott aber ruft uns in die Wahrheit – nicht als moralisches Ideal, sondern als lebendige Wirklichkeit. Gottes Wahrheit ist nicht etwas, das man nur studiert – sie ist jemand, dem man begegnet: Jesus selbst. In ihm wird deutlich, was es heißt, im Licht zu leben. Wer ihm nachfolgt, lässt sich von seinem Licht durchleuchten, auch in den verborgenen Winkeln des Herzens.
Echte Gemeinschaft mit Gott ist kein Spiel mit Worten, sondern ein Leben in Transparenz, in Demut und in der Bereitschaft, sich verändern zu lassen. Sie zeigt sich nicht in einem perfekten Leben, sondern in der Sehnsucht, in der Wahrheit zu bleiben – auch wenn das bedeutet, sich der eigenen Dunkelheit zu stellen.
Das Bekenntnis zur Gemeinschaft mit Gott ist mehr als ein religiöses Statement – es ist Teilhabe am Heil, ein Ausdruck der Zugehörigkeit zum lebendigen Gott. Und doch zeigt sich im Alltag allzu oft ein anderes Bild: Unser Leben bleibt in vielen Bereichen von Finsternis durchzogen. Nicht selten leben wir in der Sünde – und schlimmer noch, wir hängen an ihr. Wir verteidigen sie, rechtfertigen sie, und manchmal lieben wir sie mehr als den Gott, dem wir angeblich folgen. Ja, solche Christen gibt es tatsächlich – und oft sind wir selbst ihnen näher, als wir wahrhaben wollen. Das ist die große Lebenslüge: ein Glaube, der sich im Wort bekennt, aber im Leben widerspricht. Ein Christsein, das sich auf Lippenbekenntnisse stützt, während das Herz in andere Richtungen strebt. Reden und Sein fallen auseinander – und das nicht immer aus bewusster Täuschung, sondern oft aus geistlicher Blindheit oder Bequemlichkeit.
Diese Diskrepanz ist kein bloßes Gefühl, sondern ein objektiver Tatbestand. Es ist die Lüge, die sich zwischen Bekenntnis und Lebensführung schiebt – eine Lüge, die nicht nur uns selbst betrifft, sondern auch unser Umfeld täuscht und das Zeugnis des Evangeliums verdunkelt. Denn ein Glaube, der nicht gelebt wird, verliert seine Glaubwürdigkeit. Doch Gott ruft uns nicht zur Verurteilung, sondern zur Wahrheit. Er lädt uns ein, diese Lebenslüge zu erkennen und zu durchbrechen. Die Finsternis hat keine Macht über den, der sich dem Licht stellt. Wer ehrlich wird vor Gott, wer seine Widersprüche nicht versteckt, sondern ans Kreuz bringt, der erfährt Vergebung, Erneuerung und echte Gemeinschaft.
Christsein ist kein perfektes Leben – aber ein Leben, das sich immer wieder neu vom Licht Gottes durchdringen lässt. Es ist ein Weg der Umkehr, der Wahrheit und der Gnade. Und dieser Weg beginnt dort, wo wir aufhören, uns selbst zu belügen. Amen.