Die enge Pfor­te und die ver­schlos­se­ne Tür!

Lukas 13,22–30: “Und leh­rend durch­zog er nach­ein­an­der Städ­te und Dör­fer und rei­ste nach Jeru­sa­lem. Es sprach aber jemand zu ihm: Herr, sind es weni­ge, die geret­tet wer­den? Er aber sprach zu ihnen: Ringt danach, durch die enge Pfor­te hin­ein­zu­ge­hen; denn vie­le, sage ich euch, wer­den hin­ein­zu­ge­hen suchen und wer­den es nicht kön­nen. Sobald der Haus­herr auf­ge­stan­den ist und die Tür ver­schlos­sen hat und ihr anfan­gen wer­det, drau­ßen zu ste­hen und an der Tür zu klop­fen und zu sagen: Herr, öff­ne uns!, wird er ant­wor­ten und zu euch sagen: Ich ken­ne euch nicht ⟨und weiß nicht⟩, woher ihr seid. Dann wer­det ihr anfan­gen zu sagen: Wir haben vor dir geges­sen und getrun­ken, und auf unse­ren Stra­ßen hast du gelehrt. Und er wird sagen: Ich sage euch, ich ken­ne euch nicht ⟨und weiß nicht⟩, woher ihr seid. Weicht von mir, alle ihr Übel­tä­ter! Da wird das Wei­nen und das Zäh­ne­knir­schen sein, wenn ihr Abra­ham und Isaak und Jakob und alle Pro­phe­ten im Reich Got­tes sehen wer­det, euch aber drau­ßen hin­aus­ge­wor­fen. Und sie wer­den kom­men von Osten und Westen und von Nor­den und Süden und zu Tisch lie­gen im Reich Got­tes. Und sie­he, es sind Letz­te, die Erste sein wer­den, und es sind Erste, die Letz­te sein wer­den.”

Wäh­rend Jesus auf dem Weg nach Jeru­sa­lem lehrt, macht er deut­lich, dass der Zugang zum Reich Got­tes kein Selbst­läu­fer ist, son­dern eine bewuss­te Ent­schei­dung und ein akti­ver Lebens­weg, der durch die enge Tür führt – ein Bild für die Her­aus­for­de­rung, Got­tes Wil­len zu tun – und warnt davor, sich auf äuße­re Nähe oder reli­giö­se Gewohn­heit zu ver­las­sen, denn am Ende wer­den vie­le über­rascht sein, wer ein­ge­las­sen wird und wer drau­ßen bleibt, da Got­tes Maß­stä­be oft anders sind als mensch­li­che Erwar­tun­gen.

Lukas 13, 23–24: “Es sprach aber jemand zu ihm: Herr, sind es weni­ge, die geret­tet wer­den? Er aber sprach zu ihnen: Ringt danach, durch die enge Pfor­te hin­ein­zu­ge­hen; denn vie­le, sage ich euch, wer­den hin­ein­zu­ge­hen suchen und wer­den es nicht kön­nen.”

Die Fra­ge, ob nur weni­ge geret­tet wer­den, ent­springt einem mensch­li­chen Bedürf­nis nach Klar­heit, Sicher­heit und viel­leicht auch Abgren­zung. Doch Jesus ant­wor­tet nicht mit einer Zahl oder einer direk­ten Bestä­ti­gung, son­dern mit einem ein­dring­li­chen Appell: „Ringt danach, durch die enge Pfor­te hin­ein­zu­ge­hen.“ Damit lenkt er den Blick weg von spe­ku­la­ti­ver Neu­gier hin zur per­sön­li­chen Ver­ant­wor­tung. Die enge Pfor­te steht sinn­bild­lich für den Weg der Nach­fol­ge, der nicht bequem, breit oder selbst­ver­ständ­lich ist, son­dern Mühe, Hin­ga­be und Ent­schie­den­heit ver­langt. Sie for­dert den Glau­ben­den her­aus, sich nicht mit einem ober­fläch­li­chen Bekennt­nis zufrie­den­zu­ge­ben, son­dern den Glau­ben als Lebens­hal­tung zu begrei­fen, die den All­tag durch­dringt. In die­sem Licht wird das laue Chri­sten­tum zur Gefahr: ein Glau­be, der sich in Rou­ti­ne erschöpft, der kei­ne Lei­den­schaft kennt, kei­ne Bereit­schaft zur Umkehr, kei­ne Sehn­sucht nach Hei­lig­keit. Es ist ein Chri­sten­tum, das sich anpasst, statt zu bezeu­gen, das schweigt, wo es reden soll­te, und bequem wird, wo es unbe­quem sein müss­te.

Auch die Kir­che ist nicht aus­ge­nom­men von die­ser Mah­nung. Eine laue Kir­che ver­liert ihre pro­phe­ti­sche Stim­me, ihre Strahl­kraft, ihre geist­li­che Tie­fe. Sie wird zur Insti­tu­ti­on ohne inne­res Feu­er, zur Ver­samm­lung ohne Sen­dung. Wenn die Kir­che sich mehr um ihre äuße­re Form als um die inne­re Erneue­rung bemüht, wenn sie sich dem Zeit­geist unter­ord­net, statt dem Geist Got­tes zu fol­gen, dann ver­fehlt sie ihren Auf­trag. Die enge Pfor­te erin­nert uns dar­an, dass das Reich Got­tes nicht durch Gleich­gül­tig­keit oder blo­ße Zuge­hö­rig­keit betre­ten wird, son­dern durch das Rin­gen um Wahr­heit, Gerech­tig­keit und Lie­be. Jesus ruft nicht zur Lau­heit, son­dern zur Lei­den­schaft. Er ruft nicht zur Anpas­sung, son­dern zur Umkehr.

Das ist kein Weg der Per­fek­ti­on, aber ein Weg der Hin­ga­be. Und nur wer die­sen Weg geht, wird erfah­ren, dass die enge Pfor­te nicht ins Dun­kel führt, son­dern in das Licht des Lebens. Es ist ein Ruf zur akti­ven Lebens­ge­stal­tung im Glau­ben, zur Umkehr und zur Bereit­schaft, Got­tes Wil­len über den eige­nen zu stel­len. Die War­nung, dass vie­le ver­su­chen wer­den hin­ein­zu­ge­hen und es nicht kön­nen, ist kei­ne Dro­hung, son­dern eine ern­ste Mah­nung:

Es genügt nicht, sich äußer­lich mit dem Glau­ben zu umge­ben oder sich auf reli­giö­se Zuge­hö­rig­keit zu ver­las­sen. Eben­so wenig reicht es aus, die Bibel zu ken­nen, sich theo­lo­gi­sches Wis­sen anzu­eig­nen oder Bibel­ver­se rauf und run­ter zu zitie­ren. Denn der Glau­be ist kein intel­lek­tu­el­les Kon­zept, kei­ne Samm­lung von Infor­ma­tio­nen, son­dern eine leben­di­ge Bezie­hung zu Gott, die das Herz ver­wan­delt und das Leben durch­dringt. Wer sich allein auf sein Wis­sen stützt, läuft Gefahr, das Evan­ge­li­um zu ana­ly­sie­ren, aber nicht zu leben; die Wor­te Jesu zu erklä­ren, aber ihnen nicht zu fol­gen. Die enge Pfor­te, von der Jesus spricht, lässt sich nicht mit Argu­men­ten durch­schrei­ten, son­dern mit Demut, Gehor­sam und Hin­ga­be.

Der wah­re Zugang zum Reich Got­tes liegt nicht im blo­ßen Ver­ste­hen, son­dern im Ver­trau­en, nicht im Reden, son­dern im Tun. Die Hei­li­ge Schrift selbst warnt davor, nur Hörer des Wor­tes zu sein und nicht Täter. Ein Glau­be, der sich in theo­lo­gi­scher Prä­zi­si­on ver­liert, aber kei­ne Frucht bringt, ist wie ein Baum vol­ler Blät­ter, aber ohne Frucht. Die enge Pfor­te ver­langt mehr als reli­giö­se Fas­sa­de – sie ver­langt ein Leben, das sich von Chri­stus for­men lässt, das bereit ist, sich selbst zu ver­leug­nen und das Kreuz auf sich zu neh­men. Es ist ein Weg, der nicht durch Lei­stung, son­dern durch Lie­be geprägt ist. Und die­se Lie­be zeigt sich nicht in Wor­ten, son­dern in Taten: in Barm­her­zig­keit, in Ver­ge­bung, in der Bereit­schaft, sich selbst zurück­zu­neh­men, damit Got­tes Wil­le gesche­he.

Das Wort Jesu „Ringt danach, durch die enge Pfor­te hin­ein­zu­ge­hen“ ist kein sanf­ter Hin­weis, son­dern ein lei­den­schaft­li­cher Auf­ruf zur Ent­schie­den­heit. Es bedeu­tet: Christ­sein ist kein Spa­zier­gang auf einem brei­ten, beque­men Weg, son­dern ein akti­ver, oft her­aus­for­dern­der Lebens­stil, der ech­te Nach­fol­ge ver­langt. Die enge Pfor­te steht für den Ein­tritt in das Reich Got­tes – aber nicht durch blo­ße Zuge­hö­rig­keit, son­dern durch geleb­te Hin­ga­be. Christ­sein ist mehr als ein Eti­kett! Es reicht nicht, sich „Christ“ zu nen­nen oder sonn­tags in der Kir­che zu sit­zen. Die Nach­fol­ge Chri­sti ver­langt ein Leben, das sich an sei­nem Wort ori­en­tiert – auch wenn es gegen den Strom geht. Nach­fol­ge ist ein täg­li­cher Kampf gegen Bequem­lich­keit! „Rin­gen“ bedeu­tet: Es kostet Kraft, Über­win­dung und manch­mal auch Ver­zicht. Es heißt, sich selbst zu ver­leug­nen, eige­ne Wün­sche zurück­zu­stel­len und Got­tes Wil­len über den eige­nen zu stel­len. Lie­be als Maß­stab! Die enge Pfor­te lässt sich nicht mit Lei­stung durch­schrei­ten, son­dern mit geleb­ter Lie­be. Wer Chri­stus nach­folgt, lebt nicht für sich selbst, son­dern für ande­re – in Barm­her­zig­keit, Gerech­tig­keit und Ver­ge­bung. Es bedeu­tet, sich selbst zurück­zu­neh­men, die eige­nen Wün­sche, Sicher­hei­ten und sogar das eige­ne Leben dem Wil­len Got­tes unter­zu­ord­nen – aus einer Lie­be her­aus, die bereit ist, alles zu ver­lie­ren, um in ihm alles zu gewin­nen. Geist­li­che Wach­sam­keit statt reli­giö­ser Rou­ti­ne! Die Gefahr lau­ert in der Lau­heit: ein Glau­be, der sich mit ober­fläch­li­cher Fröm­mig­keit begnügt, aber kei­ne Frucht bringt. Jesus ruft zur Wach­sam­keit, zur inne­ren Umkehr und zur ech­ten Bezie­hung mit ihm. Das Kreuz gehört dazu! Nach­fol­ge bedeu­tet auch, das Kreuz auf sich zu neh­men – nicht als Sym­bol, son­dern als Bereit­schaft, Leid, Ableh­nung oder Unver­ständ­nis zu tra­gen, wenn man für Chri­stus ein­steht.

Lukas 13,25: “Sobald der Haus­herr auf­ge­stan­den ist und die Tür ver­schlos­sen hat und ihr anfan­gen wer­det, drau­ßen zu ste­hen und an der Tür zu klop­fen und zu sagen: Herr, öff­ne uns!, wird er ant­wor­ten und zu euch sagen: Ich ken­ne euch nicht ⟨und weiß nicht⟩, woher ihr seid.”

Die­se Wor­te Jesu sind von erschüt­tern­der Klar­heit und Tie­fe. Sie spre­chen von einem Moment, der end­gül­tig ist: Der Haus­herr steht auf, ver­schließt die Tür – und wer drau­ßen bleibt, bleibt drau­ßen. Es ist ein Bild für das Gericht, für den Augen­blick, in dem die Zeit der Gna­de endet. Die Men­schen, die drau­ßen ste­hen, klop­fen, rufen, bit­ten: „Herr, öff­ne uns!“

Doch die Ant­wort ist ernüch­ternd und schmerz­haft: „Ich ken­ne euch nicht und weiß nicht, woher ihr seid.“ Die­se Sze­ne ist nicht etwa eine will­kür­li­che Zurück­wei­sung, son­dern eine Kon­se­quenz. Sie zeigt, dass es mög­lich ist, sich lan­ge in der Nähe des Glau­bens und in der Nähe Jesu auf­zu­hal­ten, ohne wirk­lich Teil davon zu sein. Es ist mög­lich, reli­giö­se Wor­te zu ken­nen, christ­li­che Gemein­schaft zu erle­ben, aber den­noch das Herz ver­schlos­sen zu hal­ten. Die Tür, die hier ver­schlos­sen wird, ist nicht nur eine äuße­re Gren­ze – sie ist Aus­druck einer inne­ren Ent­schei­dung, die über Jah­re hin­weg getrof­fen oder ver­säumt wur­de.

Vie­le leben in der Illu­si­on, sie hät­ten noch Zeit – Zeit, um sich zu ent­schei­den, Zeit, um umzu­keh­ren, Zeit, um sich Gott zuzu­wen­den. Doch das Leben ist zer­brech­lich, und nie­mand kennt den Tag oder die Stun­de, an dem es endet. Die Ent­schei­dung für Chri­stus wird auf­ge­scho­ben, ver­drängt, ver­tagt – als wäre die Gna­de ein unbe­grenz­tes Gut, das jeder­zeit ver­füg­bar bleibt. Doch plötz­lich kann der Moment kom­men, in dem wir vor dem Herrn ste­hen, und dann zählt nicht mehr, was wir wuss­ten oder geplant hat­ten, son­dern ob wir die Zeit der Gna­de genutzt haben. Wer die Ein­la­dung Got­tes igno­riert, läuft Gefahr, vor ver­schlos­se­ner Tür zu ste­hen – nicht, weil Gott nicht offen war, son­dern weil wir nicht bereit waren. Die Zeit zur Umkehr ist jetzt. Die Tür steht offen, aber sie bleibt nicht ewig offen. Wer heu­te hört, soll­te heu­te ant­wor­ten – mit einem Her­zen, das sich nicht auf mor­gen ver­lässt, son­dern sich heu­te von der Lie­be Got­tes ver­wan­deln lässt.

Jesus warnt davor, die Ein­la­dung Got­tes auf die leich­te Schul­ter zu neh­men. Noch­mals: Die Zeit der offe­nen Tür ist jetzt. Die Gna­de ist gegen­wär­tig, das Reich Got­tes steht offen – aber nicht unbe­grenzt. Die ver­schlos­se­ne Tür ist nicht Aus­druck von Lieb­lo­sig­keit, son­dern von Gerech­tig­keit. Sie macht deut­lich, dass Nach­fol­ge nicht blo­ßes Mit­lau­fen ist, son­dern eine bewuss­te, geleb­te Bezie­hung zu Chri­stus. Wer ihn kennt, wird erkannt. Wer ihn nur von außen betrach­tet, bleibt fremd. Die Wor­te „Ich ken­ne euch nicht“ sind nicht nur eine Fest­stel­lung, son­dern eine Offen­ba­rung: Sie zei­gen, dass Gott nicht nach äuße­ren Lei­stun­gen urteilt, son­dern nach dem Her­zen. Es genügt nicht, sich auf ver­gan­ge­ne Begeg­nun­gen oder reli­giö­se Gewohn­hei­ten zu beru­fen. Es braucht ein Leben, das in der Gegen­wart Got­tes ver­wur­zelt ist, das Frucht bringt, das sich for­men lässt.

Die­se Ver­se sind ein Ruf zur Umkehr, zur Ernst­haf­tig­keit, zur Ent­schei­dung. Sie erin­nern uns dar­an, dass die Tür zum Leben offen steht – aber dass sie nicht ewig offen bleibt. Wer heu­te hört, soll heu­te ant­wor­ten. Denn wenn der Haus­herr auf­steht und die Tür schließt, wird nicht mehr das Klop­fen zäh­len, son­dern die Fra­ge: Warst du wirk­lich bei ihm? Hast du ihn wirk­lich geliebt? Hast du dich von ihm erken­nen las­sen?

Lukas 13,26: “Dann wer­det ihr anfan­gen zu sagen: Wir haben vor dir geges­sen und getrun­ken, und auf unse­ren Stra­ßen hast du gelehrt.”

Lukas 13,26 ist wie ein Spie­gel, den Jesus uns hin­hält – ein Spie­gel, der nicht nur ein­zel­ne Gläu­bi­ge, son­dern die Kir­che als Gan­zes reflek­tiert. „Wir haben vor dir geges­sen und getrun­ken…“ – das klingt wie eine Ver­tei­di­gung, ein Ver­such, Nähe zu behaup­ten, Gemein­schaft zu rekla­mie­ren. Doch es ist eine ober­fläch­li­che Nähe, eine Nähe des Kon­sums, nicht der Hin­ga­be. Heu­te erle­ben wir eine Kir­che, die oft mehr Even­traum als Hei­lig­tum ist. Men­schen kom­men, wenn es etwas zu essen gibt, wenn Gemein­schaft lockt, wenn das Pro­gramm stimmt. Kir­chen­kaf­fee, Brunch nach dem Got­tes­dienst, Grill­fe­ste – all das hat sei­nen Platz, aber es darf nicht der ein­zi­ge Grund sein, war­um wir kom­men. Wenn die Begeg­nung mit Chri­stus zur Neben­sa­che wird und das leib­li­che Wohl im Vor­der­grund steht, dann haben wir den Sinn der Gna­de ver­fehlt.

Jesus lehr­te auf unse­ren Stra­ßen – auch das sagen sie. Und ja, auch heu­te wird gepre­digt, gelehrt, dis­ku­tiert. Aber hören wir wirk­lich zu? Oder las­sen wir uns berie­seln, nicken zustim­mend, ohne dass unser Herz sich bewegt? Die Zeit der Gna­de ist nicht unbe­grenzt. Es wird der Moment kom­men, an dem Wor­te nicht mehr genü­gen, an dem unse­re Aus­re­den ver­stum­men. Dann zählt nicht, ob wir dabei waren, son­dern ob wir ver­wan­delt wur­den. Ob wir Jesus nicht nur gese­hen, son­dern erkannt haben. Ob wir nicht nur geges­sen, son­dern vom Brot des Lebens genährt wur­den. Die Kir­che muss wie­der ein Ort der Umkehr wer­den, nicht nur der Begeg­nung. Ein Ort, an dem Men­schen nicht nur kom­men, um zu emp­fan­gen, son­dern um sich hin­zu­ge­ben. Die Gna­de ist da – aber sie ver­langt eine Ant­wort. Nicht mor­gen, nicht irgend­wann. Heu­te.

Lukas 13, 27: “Und er wird sagen: Ich sage euch, ich ken­ne euch nicht ⟨und weiß nicht⟩, woher ihr seid. Weicht von mir, alle ihr Übel­tä­ter!”

„Ich ken­ne euch nicht… Weicht von mir, alle ihr Übel­tä­ter!“ – Die­se Wor­te Jesu sind wie ein Don­ner­schlag in eine reli­giö­se Selbst­si­cher­heit hin­ein, die sich auf Äußer­lich­kei­ten ver­lässt. Es ist ein Urteil, das nicht aus Här­te, son­dern aus Wahr­heit gespro­chen wird. Und gera­de die­se Wahr­heit wird heu­te in vie­len Kir­chen kaum noch ver­kün­det. Man spricht lie­ber von Lie­be, Annah­me, Gemein­schaft – alles wich­ti­ge Aspek­te des Evan­ge­li­ums, doch ohne die kla­re Bot­schaft von Umkehr, Buße und Hei­li­gung wird das Evan­ge­li­um ver­wäs­sert. Die Vor­stel­lung, dass Jesus Men­schen abwei­sen könn­te, die sich selbst für gläu­big hal­ten, wider­spricht dem moder­nen Bild eines „lie­ben Got­tes“, der alles tole­riert und nie­man­den aus­schließt. Doch die Hei­li­ge Schrift ist ein­deu­tig: Es gibt eine Tren­nung zwi­schen denen, die Chri­stus wirk­lich ken­nen – und denen, die ihn nur von außen betrach­tet haben.

Heu­te wird oft gepre­digt, dass der Glau­be bequem sein muss, dass Gott unse­re Bedürf­nis­se stillt und unse­re Wün­sche erfüllt. Doch Jesus spricht hier nicht zu Ungläu­bi­gen, son­dern zu Men­schen, die sich sicher waren, zu ihm zu gehö­ren. Sie haben ihn gehört, sie waren in sei­ner Nähe, sie haben geges­sen und getrun­ken – und doch sagt er: „Ich ken­ne euch nicht.“ Das ist eine ern­ste War­nung an alle, die glau­ben, dass reli­giö­se Rou­ti­ne, Kir­chen­be­such und christ­li­che Kul­tur genü­gen. Es geht nicht um äuße­re Zuge­hö­rig­keit, son­dern um inne­re Ver­wand­lung. Um ein Leben, das Frucht bringt. Um ein Herz, das sich wirk­lich Chri­stus unter­ord­net.

Die­se Bot­schaft ist unbe­quem. Sie for­dert her­aus. Sie kon­fron­tiert. Und genau des­halb wird sie oft gemie­den. Doch wer das Evan­ge­li­um ver­kün­det, ohne die Kon­se­quen­zen der Ableh­nung zu benen­nen, pre­digt nicht das vol­le Evan­ge­li­um. Die Gna­de ist groß, aber sie ist nicht bil­lig. Sie wur­de teu­er erkauft – mit dem Blut Chri­sti. Und sie ver­langt eine Ant­wort, ein Leben in Hin­ga­be, nicht bloß in reli­giö­ser Nähe. Die Kir­che muss wie­der den Mut fin­den, die­se Wahr­heit aus­zu­spre­chen. Nicht aus Angst, son­dern aus Lie­be. Denn nur wer die Wahr­heit kennt, kann frei wer­den. Und nur wer sich von Chri­stus wirk­lich erken­nen lässt, wird am Ende nicht hören müs­sen: „Ich ken­ne dich nicht.“

Lukas 13,28–29: “Da wird das Wei­nen und das Zäh­ne­knir­schen sein, wenn ihr Abra­ham und Isaak und Jakob und alle Pro­phe­ten im Reich Got­tes sehen wer­det, euch aber drau­ßen hin­aus­ge­wor­fen. Und sie wer­den kom­men von Osten und Westen und von Nor­den und Süden und zu Tisch lie­gen im Reich Got­tes.”

Die­se Wor­te Jesu sind nicht nur eine pro­phe­ti­sche War­nung – sie sind ein Weck­ruf an eine selbst­zu­frie­de­ne Gene­ra­ti­on von Gläu­bi­gen. Das Bild ist erschüt­ternd: Men­schen, die sich sicher glaub­ten, Teil des Rei­ches Got­tes zu sein, ste­hen plötz­lich drau­ßen. Sie sehen Abra­ham, Isaak, Jakob und die Pro­phe­ten – jene, die sie in ihren Lie­dern besun­gen und in ihren Pre­dig­ten zitiert haben – und doch sind sie selbst aus­ge­schlos­sen. Das Wei­nen und Zäh­ne­knir­schen ist nicht nur Aus­druck von Schmerz, son­dern von tie­fer Erkennt­nis: Die Zeit der Gna­de wur­de ver­spielt, die Ein­la­dung zum Reich Got­tes igno­riert oder ober­fläch­lich ange­nom­men. Es ist die Tra­gik eines Glau­bens, der sich auf Tra­di­ti­on, Kul­tur oder Zuge­hö­rig­keit stützt, aber nicht auf ech­te Umkehr und Nach­fol­ge.

Und wäh­rend sie drau­ßen ste­hen, kom­men ande­re – von Osten und Westen, von Nor­den und Süden. Men­schen, die viel­leicht nie in einer Kir­che saßen, nie Teil einer reli­giö­sen Eli­te waren, aber deren Her­zen offen waren für die Wahr­heit. Sie haben die Ein­la­dung gehört und ange­nom­men. Sie haben sich dem Ruf Got­tes gebeugt, oft unter gro­ßen per­sön­li­chen Opfern. Und sie wer­den zu Tisch lie­gen im Reich Got­tes – nicht als Gäste zwei­ter Klas­se, son­dern als Erben der Ver­hei­ßung. Die­se Sze­ne ist eine Mah­nung an die Kir­che heu­te. Wir dür­fen nicht glau­ben, dass unse­re äuße­re Nähe zu reli­giö­sen Struk­tu­ren uns auto­ma­tisch einen Platz im Reich Got­tes sichert.

Es geht nicht dar­um, ob wir uns Chri­sten nen­nen, weil wir ein­mal getauft wur­den oder regel­mä­ßig in der Kir­che erschei­nen. Der Name allein ret­tet nicht. Die Gewohn­heit, sonn­tags einen Got­tes­dienst zu besu­chen, ersetzt kei­ne leben­di­ge Bezie­hung zu Chri­stus. Das blo­ße „Dabei sein“ – sei es in kirch­li­chen Struk­tu­ren, in christ­li­chen Krei­sen oder durch reli­giö­se Ritua­le – ist kein Garant für das ewi­ge Leben. Gott sieht nicht auf unse­re Eti­ket­ten, son­dern auf unser Herz. Die Tau­fe ist ein hei­li­ges Zei­chen, ein Anfang, aber kein Frei­fahrt­schein. Sie ist eine Ein­la­dung zur Nach­fol­ge, nicht ein Abschluss­di­plom.

Vie­le leben in einer reli­giö­sen Kom­fort­zo­ne. Man kennt die Lie­der, hört die Pre­dig­ten, spricht die rich­ti­gen Wor­te – aber das Herz bleibt unbe­rührt. Es fehlt die ech­te Umkehr, die täg­li­che Hin­ga­be, das Kreuz­tra­gen. Jesus hat nie dazu auf­ge­ru­fen, sich nur als Christ zu bezeich­nen. Er ruft dazu auf, ihm nach­zu­fol­gen – mit allem, was wir sind. Das bedeu­tet, unser Leben ihm zu unter­stel­len, unse­re Prio­ri­tä­ten zu ver­än­dern, unse­re Selbst­si­cher­heit auf­zu­ge­ben und uns von sei­nem Geist erneu­ern zu las­sen. Die Kir­che muss auf­hö­ren, Men­schen in Sicher­heit zu wie­gen, nur weil sie getauft sind oder sich christ­lich nen­nen. Die Fra­ge ist nicht, ob wir dazu­ge­hö­ren – son­dern ob wir ver­wan­delt wur­den. Ob unser Leben Frucht bringt. Ob wir das Licht der Welt sind, das Jesus in uns ent­zün­den will. Die Zeit der Gna­de ist jetzt. Und sie ruft uns nicht zur Pas­si­vi­tät, son­dern zur Ent­schei­dung. Nicht zur blo­ßen Zuge­hö­rig­keit, son­dern zur ech­ten Nach­fol­ge.

Lukas 13,30: “Und sie­he, es sind Letz­te, die Erste sein wer­den, und es sind Erste, die Letz­te sein wer­den.”

Die­se Wor­te Jesu sind wie ein Wen­de­punkt in der gesam­ten Rede über das Reich Got­tes. „Und sie­he, es sind Letz­te, die Erste sein wer­den, und es sind Erste, die Letz­te sein wer­den“ – ein Satz, der die Maß­stä­be die­ser Welt auf den Kopf stellt und die gött­li­che Ord­nung offen­bart, die so oft im Wider­spruch zur mensch­li­chen Erwar­tung steht. In Got­tes Reich zählt nicht Anse­hen, Her­kunft, Bil­dung oder reli­giö­se Tra­di­ti­on. Es zählt das Herz, die Bereit­schaft zur Umkehr, die Demut, sich von Gott füh­ren zu las­sen. Die Letz­ten – jene, die über­se­hen, ver­ach­tet, aus­ge­schlos­sen wur­den – wer­den erhöht. Und die Ersten – jene, die sich sicher glaub­ten, die sich auf ihre Stel­lung, ihr Wis­sen oder ihre reli­giö­se Rou­ti­ne ver­lie­ßen – wer­den zurück­ge­setzt.

Die­se Umkeh­rung ist nicht will­kür­lich, son­dern gerecht. Sie zeigt, dass Gott nicht nach äuße­ren Kri­te­ri­en urteilt, son­dern nach der inne­ren Hal­tung. “Wer sich selbst erhöht, wird ernied­rigt; wer sich selbst ernied­rigt, wird erhöht” (Mat­thä­us 23,12). Es ist eine War­nung an alle, die sich ihrer Posi­ti­on sicher sind, die glau­ben, sie hät­ten Anspruch auf das Reich Got­tes. Und es ist eine Hoff­nung für alle, die sich klein füh­len, die kämp­fen, die sich nach Gna­de seh­nen. Die Letz­ten wer­den Erste sein – nicht, weil sie bes­ser sind, son­dern weil sie sich ganz auf Got­tes Barm­her­zig­keit ver­las­sen.

Die­se Wor­te for­dern die Kir­che her­aus, ihre eige­nen Maß­stä­be zu hin­ter­fra­gen. Sie rufen dazu auf, nicht nach Rang, nicht nach dem Zeit­geist, Ein­fluss oder Tra­di­ti­on zu urtei­len, son­dern nach der Frucht des Glau­bens. Sie erin­nern uns dar­an, dass Got­tes Blick tie­fer reicht als unse­re Struk­tu­ren. Und sie laden jeden Ein­zel­nen ein, sich nicht auf das „Erste“ zu ver­las­sen – son­dern bereit zu sein, sich als „Letz­ter“ zu erken­nen, um von Gott erhöht zu wer­den.

„Rin­get dar­um, dass ihr durch die enge Pfor­te ein­geht; denn vie­le, sage ich euch, wer­den danach trach­ten, wie sie hin­ein­kom­men, und wer­den es nicht kön­nen.“

Die Auf­for­de­rung „Pass also auf, dass du hin­ein­kommst!“ ist wie ein Weck­ruf – eine Mah­nung zur Wach­sam­keit, zur Umkehr und zur Ent­schlos­sen­heit. Es geht nicht um ein bei­läu­fi­ges Inter­es­se am Reich Got­tes, son­dern um ein ernst­haf­tes Rin­gen, ein bewuss­tes Leben in der Nach­fol­ge Chri­sti. Die „enge Pfor­te“ steht für den Weg der Demut, der Hin­ga­be, der Wahr­heit – und nicht für den brei­ten Weg der Selbst­ge­rech­tig­keit oder Gleich­gül­tig­keit. Jesus spricht die­se Wor­te im Kon­text einer Fra­ge: „Herr, sind es weni­ge, die geret­tet wer­den?“ Und statt eine Zahl zu nen­nen, rich­tet er den Blick auf die per­sön­li­che Ver­ant­wor­tung: „Du – pass auf! Du – rin­ge dar­um!“ Es ist eine Ein­la­dung, aber auch eine War­nung. Denn es gibt kein auto­ma­ti­sches „Hin­ein­kom­men“ durch Abstam­mung, Tra­di­ti­on oder äuße­re Fröm­mig­keit. Es braucht ein Herz, das sich Gott öff­net, das bereit ist, sich ver­än­dern zu las­sen. Amen.