Das Zeug­nis der Apo­stel als Grund­la­ge unse­res Glau­bens!

1.Johannes 1,2: …und das Leben ist erschie­nen, und wir haben gese­hen und bezeu­gen und ver­kün­di­gen euch das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und uns erschie­nen ist –.…”.

Die­se Wor­te tra­gen den Glanz einer Offen­ba­rung in sich, die das Herz der christ­li­chen Bot­schaft berührt. Hier wird nicht von einem abstrak­ten Prin­zip gespro­chen, son­dern von einer leben­di­gen Rea­li­tät – von Jesus Chri­stus selbst. In Ihm ist das gött­li­che Leben sicht­bar gewor­den. Es tritt in unse­re Welt, in unse­re Zeit und unse­re Zer­brech­lich­keit, nicht als Idee, son­dern als Per­son. Das Leben hat ein Gesicht bekom­men. Die­ses Leben ist kein gewöhn­li­ches – es ist ewig. Es stammt aus der Ewig­keit, es ist Aus­druck des Wesens Got­tes. Es ist Leben, das nie beginnt und nie­mals endet. Es ist nicht von bio­lo­gi­schen Pro­zes­sen abhän­gig, nicht gebun­den an die Uhr der Zeit, nicht begrenzt durch Geburt und Tod. Im Gegen­satz zum mensch­li­chen Leben, das mit dem ersten Atem­zug in Rich­tung Ver­gäng­lich­keit schrei­tet, ist das ewi­ge Leben ein „Sein zum Leben“. Johan­nes for­mu­liert es noch bild­haf­ter im Evan­ge­li­um: „Das Licht scheint in der Fin­ster­nis, und die Fin­ster­nis hat es nicht erfasst.“ (Johan­nes 1,5)

Das Licht Chri­sti ist nicht nur Erleuch­tung für den Ver­stand – es ist Hei­lung für die See­le. Es offen­bart das, was uns ver­bor­gen war: Dass Leben mehr ist als Dasein. Dass Lie­be mehr ist als Emo­ti­on. Und dass Ewig­keit mehr ist als end­lo­se Zeit – sie ist Tie­fe, sie ist Bezie­hung, sie ist Gegen­wart Got­tes. Der Mensch, so hat Heid­eg­ger es aus­ge­drückt, ist ein „Sein zum Tode“. Doch in Chri­stus erscheint ein ande­res Sein. Hier begeg­net uns eine Exi­stenz, die nicht vom Tod gezeich­net ist, son­dern von der Auf­er­ste­hung. Die­ses Licht for­dert her­aus. Es ist zu hell für Augen, die sich an die Dun­kel­heit gewöhnt haben. Es offen­bart das Unzu­läng­li­che, aber auch das Hei­li­ge – die Wür­de, zu der der Mensch geru­fen ist. Ewi­ges Leben ist nicht bloß ein Trost für das Danach – es ist eine Qua­li­tät des Lebens im Hier und Jetzt. Wer Chri­stus begeg­net, emp­fängt Anteil an die­sem Leben: nicht durch Lei­stung, son­dern durch Gna­de. Es ist ein Geschenk, das die Zeit über­schrei­tet und das Herz ver­wan­delt.

Die Fleisch­wer­dung Jesu Chri­sti ist kein bei­läu­fi­ges Detail des christ­li­chen Glau­bens – sie ist der epi­sche Wen­de­punkt der Heils­ge­schich­te. Mit die­sem Ereig­nis tritt Gott nicht nur in die Zeit, son­dern in die Geschich­te, in die sicht­ba­re Welt, in die Mensch­lich­keit hin­ein. In Chri­stus offen­bart sich das ewi­ge Leben: „Das Leben, das beim Vater war und uns erschie­nen ist“ (1. Johan­nes 1,2). Hier bezeugt Johan­nes mit inne­rer Klar­heit und geist­li­cher Auto­ri­tät das Vor­her­sein des Soh­nes. Die Mensch­wer­dung Jesu ist kein Anfang sei­nes Daseins, son­dern sei­ne Sen­dung aus der ewi­gen Gegen­wart Got­tes. Als Jesus sag­te: „Ehe Abra­ham wur­de, bin ich“ (Johan­nes 8,58), deu­te­te er nicht nur sei­ne Prä­exi­stenz an – er offen­bar­te, dass er außer­halb der Zeit steht, im gött­li­chen „Ich bin“, dem Namen des Ewi­gen.

In Jesus kommt nicht nur ein Vor­bild oder ein Send­bo­te – es ist Gott selbst, der als Mensch unter uns lebt. Gott selbst kommt in den Sohn. Er sen­det nicht nur eine Bot­schaft – er wird selbst zur Bot­schaft. Der Sohn, der Voll­glanz gött­li­chen Lebens, bleibt nicht im Ver­bor­ge­nen des Him­mels, son­dern tritt sicht­bar in unse­re Welt ein: „Und das Wort ward Fleisch und wohn­te unter uns“, und sei­ne Herr­lich­keit ist kei­ne inner­li­che Visi­on, kei­ne mysti­sche Erfah­rung ein­zel­ner, son­dern eine sinn­lich erleb­ba­re Wirk­lich­keit: „Wir sahen sei­ne Herr­lich­keit, eine Herr­lich­keit als des ein­ge­bo­re­nen Soh­nes vom Vater, vol­ler Gna­de und Wahr­heit“ (Johan­nes 1,14). Die Apo­stel bezeu­gen kein inne­res Licht, das sie in der Medi­ta­ti­on emp­fin­gen. Sie berich­ten von dem, was sie gese­hen, gehört und mit Hän­den beta­stet haben (vgl. 1. Johan­nes 1,1). Die Evan­ge­li­en grün­den auf erleb­ter, histo­ri­scher Begeg­nung mit Jesus von Naza­reth. In ihm leuch­te­te die Maje­stät Got­tes durch Wor­te, Zei­chen, Lie­be und letzt­lich im Kreuz und der Auf­er­ste­hung.

Wenn man das geschicht­li­che Fun­da­ment des Evan­ge­li­ums leug­net, ent­leert man es sei­ner Kraft. Man redu­ziert es zu einer sym­bo­li­schen Phi­lo­so­phie, gut gemeint, aber ohne Anspruch auf Wahr­heit. Der christ­li­che Glau­be aber grün­det auf einem rea­len, in Raum und Zeit gesche­he­nen Ereig­nis: Gott wur­de Mensch – und wir sahen ihn.

Die­ses Gesche­hen ist Ein­la­dung und Her­aus­for­de­rung zugleich. Es sprengt die Gren­zen aller reli­giö­sen Vor­stel­lung:

  • Es ist kein Auf­stieg des Men­schen zu Gott, son­dern Got­tes Abstieg zu uns.
  • Es ist kein mensch­lich erdach­tes Ide­al, son­dern gött­lich geschenk­te Rea­li­tät.
  • Es ist kein Mythos, son­dern Geschich­te.


Die Inkar­na­ti­on des Soh­nes ist der Anfang der christ­li­chen Hoff­nung. Denn wenn Gott selbst unse­re Exi­stenz geteilt hat, ist kei­ne Dun­kel­heit zu tief, kein Schmerz zu fern, kein Tod end­gül­tig. Das Licht, das in der Fin­ster­nis scheint, leuch­tet bis heu­te. Es leuch­tet in der Per­son Jesu – in sei­ner Lie­be, in sei­nem Ruf, in sei­ner Gegen­wart unter uns.

Es ist wich­tig, mit aller Klar­heit zu beto­nen: Die histo­ri­sche Wahr­heit begrün­det den Glau­ben nicht – er ent­springt nicht aus der Logik eines Ereig­nis­pro­to­kolls. Und doch wäre der Glau­be ohne die histo­ri­sche Zuver­läs­sig­keit der bibli­schen Zeu­gen sei­ner Glaub­wür­dig­keit beraubt. Der Glau­be rich­tet sich nicht auf die Histo­rie als Gegen­stand der Anbe­tung. Aber die Histo­rie ist der Wur­zel­bo­den des glau­ben­wecken­den Zeug­nis­ses. Ohne sie wird die Offen­ba­rung zu einer belie­big inter­pre­tier­ba­ren Idee, einer phi­lo­so­phi­schen Pro­jek­ti­on, die je nach ideo­lo­gi­scher oder kul­tu­rel­ler Prä­gung neu gedeu­tet wer­den kann – wie es in Tei­len der heu­ti­gen evan­ge­li­schen Kir­che bereits geschieht.

Johan­nes selbst kämpf­te die­sen Kampf gegen die Irr­leh­rer sei­ner Zeit, die das Fleischwer­den des Wor­tes leug­ne­ten und die Erschei­nung des Soh­nes in der Geschich­te ver­gei­stig­ten. Sein Zeug­nis ist ent­schie­den kon­kret: „Was wir gehört, was wir gese­hen mit unse­ren Augen, was wir betrach­tet und unse­re Hän­de beta­stet haben vom Wort des Lebens … das ver­kün­di­gen wir euch“ (1. Johan­nes 1,1–3). Der Glau­be ent­steht nicht dadurch, dass man ein­zel­ne Ereig­nis­se der Ver­gan­gen­heit wie Bewei­se anein­an­der­reiht. Er wächst nicht aus einem nüch­ter­nen Bericht, son­dern aus dem leben­di­gen Zeug­nis von Men­schen, die Got­tes Han­deln erlebt haben.

Dies ist kei­ne mysti­sche Erfah­rung, kei­ne visio­nä­re Erschei­nung im Innern – son­dern das Bekennt­nis zu einem geschicht­li­chen Ereig­nis, das sinn­lich erfahr­bar war. Die histo­risch-kri­ti­sche Theo­lo­gie, so wert­voll man­che metho­di­sche Ein­sich­ten auch sein mögen, läuft Gefahr, den Chri­stus der Geschich­te in einen Chri­stus der Inter­pre­ta­ti­on zu ver­wan­deln – ein ver­än­der­li­ches Bild, das nicht trägt, das sich immer wie­der anpasst oder neu inter­pre­tiert wird, je nach Zeit­geist oder per­sön­li­cher Vor­stel­lung – wie eine Idee, die sich belie­big for­men lässt.

Wenn man also die histo­ri­sche Wirk­lich­keit der Bibel auf­gibt, wird das Bild von Chri­stus zu etwas, das jeder nach Belie­ben deu­ten kann – und ver­liert damit sei­ne feste Gestalt und Wahr­heit.

Die Gemein­de Jesu aber bekennt sich zu einem Gott, der hand­fest in die­se Welt ein­ge­tre­ten ist – der in Jesus von Naza­reth gelebt, geliebt, gelit­ten und auf­er­stan­den ist. Die­ser Glau­be steht und fällt mit der Wirk­lich­keit der Inkar­na­ti­on und mit der Zuver­läs­sig­keit der bibli­schen Zeu­gen. Die Evan­ge­li­en sind nicht bloß reli­giö­se Erzäh­lun­gen – sie sind Berich­te von Augen­zeu­gen, durch­drun­gen vom Hei­li­gen Geist, und getra­gen von der Sen­dung, Wahr­heit zu ver­kün­den.

Wenn die Kir­che dies nicht mehr bezeugt, ver­liert sie ihren Auf­trag und wird zum Ort theo­lo­gi­scher Belie­big­keit. Es ist daher kein Rück­schritt, son­dern ein geist­li­cher Auf­bruch, wenn Gemein­den heu­te neu um das geschicht­li­che Fun­da­ment des bibli­schen Wor­tes rin­gen – nicht aus Dog­ma­tis­mus, son­dern aus dem tie­fen Ver­lan­gen, dem leben­di­gen Gott treu zu blei­ben.

Das Wort Got­tes – erschie­nen, bezeugt, ver­kün­digt: „…und das Leben ist erschie­nen, und wir haben gese­hen und bezeu­gen und ver­kün­di­gen euch das Leben, das ewig ist…“ (1. Johan­nes 1,2). In die­sen Wor­ten liegt der Kern unse­res Glau­bens: Gott hat sich nicht ver­bor­gen gehal­ten, son­dern ist in Jesus Chri­stus in die Geschich­te getre­ten – sicht­bar, hör­bar, greif­bar. Die­ses Leben, das beim Vater war, ist uns erschie­nen, und die Augen­zeu­gen – sei­ne Apo­stel – haben es bezeugt und wei­ter­ge­ge­ben.

Die Bibel ist kein Mythos, kein phi­lo­so­phi­sches Gedan­ken­mo­dell, son­dern das zuver­läs­si­ge, unver­fälsch­te Zeug­nis jener, die Got­tes Han­deln leib­haf­tig erlebt haben. Sie bezeu­gen nicht bloß Ideen – sie berich­ten von dem, was sie gese­hen und gehört haben. Dar­um ist das Wort Got­tes histo­ri­sche Wahr­heit, die trägt. Es ist nicht Pro­dukt mensch­li­cher Deu­tung, son­dern Got­tes Selbst­of­fen­ba­rung in Raum und Zeit. Wer es rela­ti­viert, löst das Fun­da­ment des Glau­bens auf; wer es bekennt, stellt sich unter das Licht des leben­di­gen Got­tes. Amen.